Otto Schmidt Verlag


AO-StB

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - § 110 AO , § 56 FGO (Günther, AO-StB 2023, 280)

Werden steuerrechtliche Fristen versäumt, kommt nach § 110 AO bzw. § 56 FGO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Diese Vorschriften lassen eine Wiedereinsetzung nur unter relativ engen Voraussetzungen zu. Angehörigen der steuerberatenden Berufe obliegt bei der Fristenwahrung eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Der Beitrag gibt neben einer Einführung in die gesetzlichen Voraussetzungen einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung.


I. Problemstellung

II. Gesetzliche Grundlagen

III. Rechtsprechungsüberblick

1. Glaubhaftmachung der Wahrung der Einspruchsfrist

2. Schuldhaftes Verhalten

3. Organisationsverschulden des Vertreters

4. Fehlverhalten des FA

5. Begründung des Wiedereinsetzungsantrags

6. Wiedereinsetzung bei Grunderwerbsteuer

7. Wiedereinsetzung wegen Nichtnutzung des beSt

IV. Fazit


I. Problemstellung

Steuerpflichtige müssen im Steuerrecht zahlreiche Handlung- und Erklärungsfristen beachten, um gegenüber der Finanzverwaltung ihre Rechte wahren zu können. In der Besteuerungspraxis betrifft dies insb. die Einspruchsfrist (§ 355 AO) sowie weitergehend im gerichtlichen Verfahren die Klagefrist (§ 47 FGO), die Revisionsfrist (§ 120 FGO) sowie die Beschwerdefrist zur Zulassung der Revision (§ 116 AO).

Werden steuerrechtliche Handlungs- oder Erklärungsfristen versäumt, kommt unter den Voraussetzungen des § 110 AO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, bei Versäumung einer Frist im gerichtlichen Verfahren greift die § 110 AO nachgebildete Vorschrift des § 56 FGO. Obwohl die Bedeutung der Wahrung steuerlicher und gerichtlicher Fristen hinlänglich bekannt ist und immer wieder zur rechtzeitigen Fristwahrung geraten wird, führen Wiedereinsetzungsanträge wegen versäumter Fristen oft zu gerichtlichen Entscheidungen, denn § 110 AO und § 56 FGO lassen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur unter relativ engen Voraussetzungen zu. Dies betrifft nicht nur Steuerpflichtige, die ihre steuerlichen Angelegenheiten selbst regeln, sondern auch Angehörige der steuerberatenden Berufe, denen insoweit eine erhöhte Sorgfaltspflicht obliegt. Der Beitrag gibt – nach einer kurzen Einführung in die gesetzlichen Voraussetzungen des § 110 AO – einen Überblick über die hierzu ergangene aktuelle Rechtsprechung.

II. Gesetzliche Grundlagen

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 S. 1 AO). Die Regelung erfasst nur verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Fristen, d.h. Handlungs- und Erklärungsfristen, die Beteiligte (§ 78 AO) oder Dritte gegenüber der Finanzbehörde zu wahren haben. Nicht wiedereinsetzungsfähig sind dagegen die gesetzlichen Fristen, die von den Finanzbehörden zu beachten sind, z.B. die Festsetzungsfrist (BFH v. 25.2.2010 – IX B 156/09, BFH/NV 2012, 176).

§ 110 Abs. 1 S. 1 AO fordert, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Steuerpflichtige muss also darlegen, dass (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.09.2023 16:36
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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