Otto Schmidt Verlag


Aus dem AO-StB

Verjährung im Steuerstrafrecht (Tormöhlen, AO-StB 2023, 393)

Rechtsfolge der eingetretenen Verjährung ist, dass eine Strafverfolgung nicht mehr vorgenommen werden darf bzw. die Einstellung eines bereits laufenden Strafverfahrens erfolgen muss. Der Beitrag beschäftigt sich mit den Rechtswirkungen der Verfolgungsverjährung, Abgrenzung zur steuerlichen Festsetzungsverjährung, Beginn und Länge der Verjährungsfristen, der Verjährungsunterbrechung und der Bedeutung der Verjährung für die Selbstanzeigeberatung.


I. Wesen und Rechtswirkungen der Verfolgungsverjährung

II. Abgrenzung zur steuerlichen Festsetzungsverjährung

III. Beginn und Länge der Verjährungsfristen und absolute Verjährung

1. Beginn der Verjährung

2. Verjährungsfrist

a) Steuerstraftaten

b) Steuerordnungswidrigkeiten

3. Absolute Verjährung

a) Allgemeines

b) Besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung

c) Sonderfall: Aussetzung des Strafverfahrens

4. Auswirkungen auf die Einziehung

IV. Verjährungsunterbrechung

1. Die möglichen Ermittlungshandlungen

2. Anordnung der Maßnahmen

3. Abschließender Katalog

4. Mehrere Taten

V. Bedeutung für die Selbstanzeigeberatung


I. Wesen und Rechtswirkungen der Verfolgungsverjährung

Rechtsfrieden: Das Wesen der Strafverfolgungsverjährung wird von diversen Aspekten geprägt. Zum einen dient die Verjährung dem Rechtsfrieden, denn es ist anerkannt, dass das Strafbedürfnis mit zunehmendem zeitlichem Abstand schwindet (BGH v. 19.2.1963 – 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274; Ebner in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 AO Rz. 5; Asholt in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2023, § 376 AO Rz. 4; Bülte in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 376 AO Rz. 24 (August 2021); Heger in Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. 2023, § 78 Rz. 1; Heerspink in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 376 AO Rz. 45 (April 2021); Eich, kösdi 2001, 13036; Staudinger, wistra 2021, 307 [308]; wohl h.M.). Lediglich Verbrechen des Mordes nach § 211 StGB verjähren nicht (§ 78 Abs. 2 StGB).

Abnehmende Beweisbarkeit, Verhältnismäßigkeit, Unionsrecht: Zum anderen wird mit zunehmendem zeitlichem Abstand die Beweisbarkeit der in Frage stehenden Tat schwerer zu realisieren. Dies gilt ganz besonders für den Zeugenbeweis. Schließlich können auch justizökonomische Überlegungen ins Feld geführt werden: Staatliches Strafen muss verhältnismäßig bleiben. Andererseits kann das Unionsrecht im Bereich der harmonisierten Steuern (insb. also bei der USt) es erfordern, dass die Frist für die Strafverfolgungsverjährung nicht so niedrig bemessen ist, dass die Strafandrohung nicht mehr die notwendige abschreckende Wirkung entfalten kann, die der EuGH verlangt (vgl. EuGH v. 8.9.2015 – C-105/14, wistra 2016, 65 = NZWiSt 2015, 390 = UR 2016, 367; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 376 AO Rz. 5 (April 2021).

Der Theorienstreit um die Rechtsnatur der Verfolgungsverjährung hat eine wechselvolle Geschichte. Das RG sah die Verjährung ursprünglich als materiellen Strafaufhebungsgrund (RG v. 8.10.1885 – 2096/85, RGSt 12, 434), später als ein sowohl materiell-rechtliches als auch prozessuales Rechtsinstitut mit Doppelnatur an (RG v. 4.7.1932 – II 681/32, RGSt 66, 328). Danach setzte sich allmählich die Auffassung durch, dass es sich um ein Verfolgungshindernis handele (RG v. 21.5.1942 – 3 C 283/42, RGSt 76, 159; BVerfG v. 26.2.1969 – 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68, BVerfGE 25, 269; BGH v. 2.4.1952 – 1 StR 622/51, BGHSt 2, 300; offengelassen: BGH v. 15.11.1967 – 3 StR 26/66; NJW 1968, 900). Diese Auffassung kann heute als h.M. bezeichnet werden (Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, vor §§ 78 ff. Rz. 3; Heger in Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. 2023, StGB, § 78 Rz. 2; Ebner in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 AO Rz. 6; Heerspink in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 376 AO Rz. 46 (April 2021); Bülte in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 376 AO Rz. 26 (August 2021); Rolletschke in Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, § 376 AO Rz. 5 (April 2021); Asholt in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 376 AO Rz. 10; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 376 AO Rz. 9 (April 2021); Jäger in Klein, 16. Aufl. 2022, § 376 AO Rz. 5; offengelassen: Nikolaus in Schwarz/Pahlke/Keß, AO, § 376 Rz. 2 [September 2023]).

Rechtsfolge der eingetretenen Verjährung ist, dass (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.01.2024 10:35
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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