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Pflichtteilsanrechnung und -verzicht bei der Unternehmensnachfolge (Lohr, GmbHStB 2023, 359)

Bei der Unternehmensnachfolge sind die Pflichtteilsanrechnungsbestimmung des Schenkers und der Pflichtteilsverzicht des Beschenkten wesentliche Gestaltungsinstrumentarien. Zudem können im Erbfall Pflichtteilsergänzungsansprüche Dritter – etwa der weiteren Kinder des Schenkers – als „Störfälle“ die Unternehmensnachfolge beeinträchtigen oder sogar den Fortbestand des Unternehmens gefährden, so dass die Einbindung der Drittbeteiligten bei der Schenkung zu empfehlen ist. Der Beitrag gibt einen Überblick über diese Themen und schließt mit einem Formulierungsvorschlag ab.


1. Pflichtteilsberechtigung

2. Pflichtteilsansprüche des Beschenkten

3. Pflichtteilsansprüche Dritter bei der Unternehmensnachfolge

4. Formelle Anforderungen an den Pflichtteilsverzichtsvertrag

5. Erlass nach Eintritt des Erbfalls

6. Musterformulierung


1. Pflichtteilsberechtigung

Zu den pflichtteilsberechtigten Personen zählen Abkömmlinge, Eltern und der Ehegatte (§ 2303 BGB, hierzu Grüneberg/Weidlich, 81. Aufl. 2022, § 2303 Rz. 1 ff.). Grundlage der Pflichtteilsberechnung ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 BGB). Bei Unternehmen ist der tatsächliche Wert, d.h. der Verkehrswert, zugrunde zu legen (Grüneberg/Weidlich, 81. Aufl. 2022, § 2311 Rz. 9; zur Unternehmensbewertung im Pflichtteilsrecht: König, ErbR 2020, 522). Die Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Pflichtteils beträgt drei Jahre, beginnend mit der Kenntnis des Erbfalls (§§ 195, 199 BGB); besondere Regelungen gelten bezüglich des Fristbeginns für den Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2332 BGB). Der Pflichtteilsberechtigte kann nach § 2314 Abs. 1 BGB Auskunftsansprüche gegen den Erben geltend machen (s. hierzu BGH v. 30.11.2022 – IV ZR 60/22, MDR 2023, 172: hiernach kann Auskunft auch nach Ausschlagung der Erbschaft verlangt werden; s. auch zum Umfang des Auskunftsrechts im Unternehmensbereich: Weidlich, MittBayNot 2015, 53).

2. Pflichtteilsansprüche des Beschenkten

Der Schenker möchte im Regelfall sicherstellen, dass etwaige Pflichtteilsansprüche des Beschenkten infolge der Anteilsübertragung entweder vollständig ausgeschlossen sind oder dass jedenfalls der Wert der Schenkung bei der Pflichtteilsbemessung anspruchsmindernd Berücksichtigung findet (zum Pflichtteilsrecht bei der Unternehmensnachfolge: Dresler-Lenz / Lehmann, BB 2023, 648).

Hierbei bestehen folgende Gestaltungsmöglichkeiten:
 

  • Der Beschenkte verzichtet durch einen Pflichtteilsverzichtsvertrag (§ 2346 Abs. 2 BGB) anlässlich der Schenkung umfassend auf sein Pflichtteilsrecht (zu den Rechtsfragen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts in diesem Zusammenhang: Jülicher, ZErbR 2014, 126).
  • Der Verzicht erfolgt eingeschränkt dergestalt, dass er auf die Höhe des Werts der Zuwendung begrenzt ist.
  • Der Schenker erklärt, dass der Wert der Zuwendung auf den Pflichtteil anzurechnen ist (Anrechnungsbestimmung i.S.d. § 2315 BGB). Die Anrechnung erfolgt durch einseitige Erklärung des Schenkers bei Ausführung der Schenkung (hierzu: von Dickhuth-Harrach, Handbuch der Erbfolge-Gestaltung, 1. Aufl. 2011, § 59 Rz. 6 ff.).


3. Pflichtteilsansprüche Dritter bei der Unternehmensnachfolge

Pflichtteilsberechtigte Dritte können nach dem Erbfall sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche (§§ 2325, 2329 BGB) geltend machen, somit nach § 2325 Abs. 1 BGB als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der Schenkungswert noch zum Nachlass gezählt wird (hierzu: von Dickhuth-Harrach, Handbuch der Erbfolge-Gestaltung, 1. Aufl. 2011, § 55 Rz. 1 ff.; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 3. Aufl. 2020, § 1 Rz. 69 ff.). Hierbei gilt eine Pro-Rata-Regelung (§ 2325 Abs. 2 BGB): Für jedes vollendete Jahr der Schenkung wird der anzusetzende Wert um ein Zehntel reduziert; nach zehn Jahren bleibt der gesamte Schenkungswert unberücksichtigt („Abschmelzungslösung“). Beachten Sie: Behält sich der Schenker ein umfassendes Nutzungsrecht vor (z.B. Nießbrauch), (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.11.2023 15:06
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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