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Kurzbesprechung

Sogenannter Blockerwerb kann § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG unterfallen

Die in § 8b Abs. 4 Satz 6 des Körperschaftsteuergesetzes angeführte Beteiligungsschwelle (10 % des Grund- oder Stammkapitals) kann durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht werden, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.

BFH v. 6.9.2023 - I R 16/21

KStG § 8b Abs 4 S 6, § 8b Abs 1 S 1, § 8b Abs 4 S

Streitig war die Frage, ob § 8b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 bis 7 KStG in der im Jahr 2014 (Streitjahr) geltenden Fassung auf Ebene einer Mitunternehmerschaft anwendbar ist, wenn die beteiligungsvermittelnde Mitunternehmerstellung unterjährig in drei zeitgleichen Rechtsgeschäften von drei unterschiedlichen Veräußerern erworben worden ist. Der BFH hat dies bejaht.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bestimmen sich die für eine Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin auf der Ebene einer Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nach §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO feststellungspflichtigen Besteuerungsgrundlagen nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes unter Berücksichtigung der hiervon teilweise abweichenden (Sonder-)Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes. Zu Letzteren gehört auch § 8b Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG, wonach grundsätzlich steuerpflichtige Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 8 EStG, die in den auf die Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin entfallenden mitunternehmerischen Einkünften aus Gewerbebetrieb enthalten sind, bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft außer Ansatz bleiben, sofern diese Bezüge das Einkommen der ausschüttenden Beteiligungsgesellschaft als offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen nicht gemindert haben. Von den nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreiten Bezügen gelten in diesem Fall nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG 5 % als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.

Abweichend von § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG sind die betroffenen Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG dennoch zu berücksichtigen, wenn die ausschüttungsvermittelnde Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals der ausschüttenden Körperschaft betragen hat.

Beteiligungen über eine Mitunternehmerschaft sind dem Mitunternehmer anteilig zuzurechnen (§ 8b Abs. 4 Satz 4 KStG), wobei eine dem Mitunternehmer insoweit zugerechnete Beteiligung im Sinne des § 8b Abs. 4 KStG als unmittelbare Beteiligung gilt (§ 8b Abs. 4 Satz 5 KStG). Im Übrigen gilt für Zwecke des gesamten § 8b Abs. 4 KStG der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt (§ 8b Abs. 4 Satz 6 KStG).

Im Streitfall hatte das FG zutreffend darauf hingewiesen, dass zur Auslegung des in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG verwendeten Tatbestandsmerkmals des unterjährigen "Erwerb(s) einer Beteiligung von mindestens 10 %" bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen ein Erwerb von jeweils unterhalb der genannten Beteiligungsschwelle liegenden Anteilspaketen von mehreren Verkäufern, wenn aber in der Summe der Erwerbe die genannte Beteiligungsschwelle überschritten wird, von der (begünstigenden) Norm erfasst ist.

Der Senat konnte im Streitfall die Auslegungsfrage zur generellen Anwendbarkeit des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG bei mehreren (Teil-)Erwerben mit Blick auf die Besonderheiten des Streitfalls offen lassen, denn die in der Regelung angeführte Beteiligungsschwelle wird durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.

Der Wortlaut der Regelung, dass der "Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 %" als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt gilt, kann angesichts des doppelt verwendeten Singulars ("der" Erwerb "einer" Beteiligung) dahin gedeutet werden, dass in einem einzelnen einheitlichen (Erwerbs-)Vorgang 10 % der Anteile erworben werden müssen und für den Fall des unterjährigen Erwerbs "einer Beteiligung" auf den Erwerb eines "Anteilspakets" abzustellen ist. Allerdings wird im Tatbestand des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG (ebenfalls) von "der Beteiligung" gesprochen und dort nicht danach unterschieden, wann und von wem die entsprechenden Anteile erworben worden sind; damit lässt es der Wortlaut des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ohne Weiteres zu, die Frage nach dem "Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 %" aus Sicht des Erwerbers zu beurteilen und darauf abzustellen, ob ein wirtschaftlich einheitlicher Erwerbsvorgang vorliegt oder nicht.

Dafür, dass jedenfalls der wirtschaftlich einheitliche Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % zur Tatbestandserfüllung der Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ausreichen muss, sprechen nach Auffassung des BFH sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Normzweck.

Das FG hatte im Streitfall ausdrücklich festgestellt, die maßgebliche (mittelbare) Beteiligung sei von der Steuerpflichtigen von mehreren Veräußerern "aufgrund eines einheitlichen Entschlusses … durch ein einheitliches schuldrechtliches Rechtsgeschäft" erworben worden. Denn der Erwerb (in einer einheitlichen notariellen Urkunde) beruhe auf einem einheitlichen Erwerbsentschluss und sei auf einen einheitlichen Erwerbszeitpunkt erfolgt. Es war deshalb in der Sache davon auszugehen, dass im Streitfall ein aus der Sicht der Erwerberin wirtschaftlich einheitlicher Erwerbsvorgang vorlag, der der Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG unterfällt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.01.2024 15:06
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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