Kurzbesprechung
Keine neue Zinsfestsetzung nach Übergang von der Zusammen- zur Einzelveranlagung
1. Der Antrag auf Änderung der Veranlagungsform von Ehegatten ist ein rückwirkendes Ereignis, so dass für Zwecke der Zinsfestsetzung die in § 233a Abs. 2a, 7 AO getroffenen Regelungen anzuwenden sind.
2. Eine Festsetzung von Nachzahlungszinsen, die ursprünglich aufgrund eines Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheids ergangen war, bleibt auch dann unverändert gegenüber beiden Eheleuten bestehen, wenn der Zusammenveranlagungsbescheid aufgehoben und durch Einzelveranlagungsbescheide ersetzt wird, und zwar auch für den Fall, dass sämtliche Einkünfte allein auf einen der Ehegatten entfallen. (...)
BFH v. 30.7.2025 - X R 11/23
AO § 118; § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; § 233a Abs. 2a; § 233a Abs. 5; § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbs. 2; § 268; § 278 Abs. 2
EStG § 26a; § 26; § 26b
Der Wechsel der Veranlagungsart von Ehegatten ist ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dies gilt sowohl für den Wechsel von der getrennten zur Zusammenveranlagung, und zwar auch für Zwecke der Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 2a, 7 AO, als auch für den Wechsel von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung oder heute zur Einzelveranlagung. Damit schließt sich der entscheidende X. Senat der Rechtsprechung des III. Senats an.
Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von § 233a Abs. 2 AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist (§ 233a Abs. 2a AO). Die Vorschriften der § 233a Abs. 3, 5 AO gelten dann mit der Maßgabe, dass der in § 233a Abs. 3 AO definierte Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist. Für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO). Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen (§ 233a Abs. 7 Satz 2 AO).
Im Streitfall ging es allein um die Frage, ob in einem Zusammenveranlagungs-Zinsbescheid festgesetzte Zinsen auch dann gegenüber beiden Eheleuten endgültig bestehen bleiben, wenn ein Wechsel von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung beziehungsweise Einzelveranlagung von Ehegatten stattfindet. Diese Frage hat der BFH ausdrücklich bejaht.
Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Denn in § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 AO ist von einem "Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen" die Rede. "Steuerpflichtige" ist seit der Durchführung der getrennten beziehungsweise Einzelveranlagungen die Steuerpflichtige. § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO ordnet dann an, dass Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags endgültig bestehen bleiben.
Zinsen in diesem Sinne sind die in § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 AO genannten "festgesetzten Zinsen". Denn aus § 233a Abs. 2a AO folgt, dass ein an sich rückwirkendes Ereignis in Bezug auf die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gerade nicht zurückwirken soll. Deshalb entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, dass es in Bezug auf die Zinsen bei der zusammengefassten Zinsfestsetzung bleibt, obwohl sich die Eheleute in Bezug auf die Einkommensteuer erfolgreich von der Zusammenveranlagung haben lösen können, was ungeachtet dessen, dass es durch eine freie Willensentscheidung der Steuerpflichtigen herbeigeführt wird als rückwirkendes Ereignis angesehen wird.
Zwar ist der Zinsanspruch grundsätzlich akzessorisch zum Steueranspruch. Dieser den §§ 233 ff. AO im Allgemeinen zugrunde liegende Leitmaßstab wird jedoch durch § 233a Abs. 2a AO i.V.m. § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO für den im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalts des rückwirkenden Ereignisses gerade ausdrücklich durchbrochen.
Der Ehegatte, der in jedem Fall vermeiden möchte, für Steuern sowie steuerliche Nebenleistungen herangezogen zu werden, die allein der andere Ehegatte wirtschaftlich verursacht, wird im Rahmen des (familien-)rechtlich Möglichen schon der Zusammenveranlagung nicht zustimmen oder eine bereits erteilte Zustimmung zum frühestmöglichen Zeitpunkt widerrufen.
Sollten die Nachzahlungszinsen bereits in einem Zusammenveranlagungsbescheid gegen beide Eheleute festgesetzt sein, eröffnen die §§ 268 ff. AO demjenigen Ehegatten, auf den die Einkünfte, die Grundlage der Zinsfestsetzung sind, nicht entfallen, die Möglichkeit, die Gesamtschuld nach Maßgabe des sich bei einer Einzelveranlagung ergebenden Verhältnisses (§ 270 AO) aufteilen zu lassen. Die Aufteilung erfasst auch bestimmte steuerliche Nebenleistungen wie die Zinsen (§ 276 Abs. 4 AO).