FG Münster v. 29.9.2025 - 1 V 1595/25 E
Gewährung von Aussetzung der Vollziehung wegen unzureichender Aktenvorlage durch das Finanzamt
Die Aussetzung der Vollziehung für ein Einspruchsverfahren kann zu gewähren sein, wenn das Finanzamt unvollständige Akten in Bezug auf eine durchgeführte Steuerfahndungsprüfung vorgelegt hat. Die Prüfungsberichte sind das Minimum dessen, was dem Gericht für eine Entscheidung im summarischen Verfahren vorzulegen ist.
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller war in den Streitjahren zu 50 % an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Bei der GmbH wurden eine Steuerfahndungsprüfung und vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt eine Amtsbetriebsprüfung durchgeführt. Auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das Finanzamt gegenüber dem Antragsteller geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen er verdeckte Gewinnausschüttungen aus der GmbH als Kapitalerträge erfasste. Hiergegen legte der Antragsteller Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab. Die Einspruchsverfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Zur Begründung seines bei Gericht gestellten Aussetzungsantrags trug der Antragsteller vor, dass die Bescheide nicht hinreichend begründet seien und die Hinzuschätzungen, die zu den verdeckten Gewinnausschüttungen geführt hätten, unzutreffend seien. Außerdem habe das Betriebsstättenfinanzamt die Körperschaftsteuerbescheide gegenüber der GmbH von der Vollziehung ausgesetzt. Hiergegen verwies das Finanzamt im Wesentlichen auf die Prüfungsberichte, die er dem Gericht jedoch trotz Aufforderung nicht vorlegte.
Das FG setzte die geänderten Einkommensteuerbescheide vollumfänglich ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung aus.
Die Gründe:
Nach der gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide.
Dies folgt nicht bereits daraus, dass die Körperschaftsteuerbescheide der GmbH möglicherweise von der Vollziehung ausgesetzt wurden, da ein Körperschaftsteuerbescheid im Hinblick auf eine verdeckte Gewinnausschüttung keinen Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters darstellt. § 32a Abs. 1 KStG stellt lediglich eine formelle Änderungsvorschrift ohne materielle Bindungswirkung dar.
Allerdings hat das Finanzamt, das für steuererhöhende Umstände wie verdeckte Gewinnausschüttungen die objektive Feststellungslast trägt, die Voraussetzungen für deren Ansatz nicht hinreichend schlüssig dargelegt. Dem Gericht sind so gut wie keine Unterlagen, Akten oder präsente Beweismittel zur streitigen Frage der Hinzuschätzungen und der damit begründeten verdeckten Gewinnausschüttungen vorgelegt worden. Da dem Gericht nicht einmal die Prüfungsberichte vorliegen, war eine Überprüfung der Zurechnung von auf Hinzuschätzungen basierenden verdeckten Gewinnausschüttungen nicht ansatzweise möglich. Die Prüfungsberichte sind aber das Minimum dessen, was dem Gericht für eine Entscheidung im summarischen Verfahren vorzulegen ist.
Eventuelle Schwierigkeiten, entsprechende Unterlagen bei anderen Finanzämtern zu beschaffen, muss das Finanzamt gegen sich gelten lassen. Etwaige Bedenken hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Steuergeheimnisses sind im Streitfall nicht nachvollziehbar, da es sich bei dem Antragsteller um einen ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH gehandelt hat. Außerdem wäre eine Offenbarung in einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig.
Mit den Ausführungen des Antragstellers hat sich das Gericht mangels Überprüfungsmöglichkeit nicht auseinandersetzen können. Dies ist Aufgabe des Finanzamts im laufenden Einspruchsverfahren, in dem eine Gesamtüberprüfung geboten ist. Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung war abzusehen, da der Antragsgegner keine konkreten Umstände dargelegt hat, die Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Antragsteller zulassen.
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